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Das Ökosystem des Automobils im neuen Mobilitätszeitalter

17.08.2020

Autonom, vernetzt und umweltfreundlich: So sieht das Auto der Zukunft aus, mit dem die Automobilindustrie auf die Bedürfnisse eines übervernetzten Verbrauchers reagiert, der eine neue Art der On-Demand-Mobilität erwartet. Innovation und Flexibilität sind vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Umfelds die entscheidenden Faktoren, um in einer von Disruption und Unsicherheit gekennzeichneten Zeit die Wettbewerbsfähigkeit dieses für die spanische und deutsche Wirtschaft strategisch wichtigen Sektors zu erhalten und zu steigern.

Die disruptiven Auswirkungen der Industrie 4.0, schnelle Fortschritte hin zu einer elektrischen, vernetzten und autonomen Mobilität, Veränderungen in den Konsumgewohnheiten, die Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes in den Fahrzeugflotten und das Wachstum der Schwellenländer verbinden sich zu einem perfekten Sturm, der die Automobilbranche vor einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel in Produktion und Handel stellt. Der Kraftfahrzeugsektor, eine der wichtigsten Säulen der deutschen wie der spanischen Industrie, bereitet sich auf den Übergang zu einem Mobilitäts-Ökosystem vor, das in seine traditionelle Wertschöpfungskette neue Elemente integriert, die an die verschiedenen Nutzungsweisen und an den gesamten Lebenszyklus des Autos gebunden sind. Derart kompliziert stellte sich das Panorama für die Welt des Automobils schon zu Beginn des Jahres 2020 dar, als sich zur ohnehin komplexen globalen Situation ein weiterer Faktor gesellte.

Die durch die weltweite Ausbreitung von Covid-19 verursachte Gesundheits- und Wirtschaftskrise führte auf internationaler Ebene zur Lahmlegung der gesamten Wertschöpfungskette, von den Fabriken für Fahrzeuge und Komponenten bis hin zu den Niederlassungen und Werkstätten. In Spanien, einem der europaweit am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder, zwang das Virus Mitte März alle 17 Fabrikstandorte zur zeitweiligen Schließung und führte dazu, dass Zehntausende Mitarbeiter in Kurzarbeit (ERTE) gehen mussten. 

Nach mehreren Wochen der Betriebsstillegung und der Ankündigung, dass die Nissan-Fabrik in Barcelona zum Ende des Jahres 2020 permanent geschlossen wird, nehmen die Fabriken nun ihre Produktion allmählich wieder auf, während die wichtigsten Arbeitgeberverbände des Sektors Unterstützungsmaßnahmen einfordern, wie sie in anderen Ländern wie Deutschland oder Frankreich bereits genehmigt wurden, um Verkaufsverluste von mehr als 30% infolge des Produktionsstopps abzumildern.

Mitten im perfekten Sturm
Spanien ist weltweit einer der größten Automobilhersteller und nimmt eine Führungsrolle in der Produktion und im Export von Fahrzeugen ebenso wie Komponenten ein. Bei der Autoherstellung liegt Spanien innerhalb Europas an zweiter Stelle hinter Deutschland, bei den Industriefahrzeugen sogar an erster Stelle; weltweit konnte Spanien in der Kfz-Herstellung zu Beginn des Jahres 2020 dank höherer Ausfuhren wieder den 8. Platz von Brasilien zurückerobern. Von den 42 Fahrzeugmodellen werden 20 in weltweiter Exklusivität hergestellt und kommen aus den 17 spanischen Fabriken, in denen bekannte Firmen wie SEAT, Mercedes-Benz, Volkswagen, Renault, Ford, Iveco oder PSA ihre Unternehmenstätigkeit ausführen.

Das Kraftfahrzeugwesen stellt für die spanische Wirtschaft mit einem Beitrag von 10% des BIP einen strategischen Sektor dar und hat eine starke Zugwirkung auf viele andere Industrien (z.B. Komponenten, Maschinen und Ausrüstung, Chemie, Elektronik, Textil) sowie Branchen (z.B. Handel, Finanzen, Versicherungen). Daten des Spanischen Verbands der Pkw- und Lkw-Hersteller (ANFAC) zufolge wurden 2019 an den spanischen Standorten 2,8 Millionen Fahrzeuge hergestellt, 0,1% mehr als im Vorjahr, von denen 82% in mehr als hundert Länder exportiert wurden, vor allem nach Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Die Automobilbranche zeichnet für etwa 19% aller Exporte der spanischen Wirtschaft verantwortlich und leistet mit einem Überhang an Kfz-Exporten von mehr als 14 Milliarden Euro (2019) den wichtigsten Beitrag zu seiner Handelsbilanz. Wie der Arbeitgeberverband des Kraftfahrzeugwesens angibt, beschäftigt die Automobilindustrie derzeit 9% aller aktiven spanischen Arbeitskräfte.

Der Blick auf die Situation unmittelbar vor der Covid-19-Krise lässt erkennen, dass die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen in Spanien Ende 2019 eine leicht sinkende Tendenz aufwies, wenn auch in geringerem Umfang als in anderen europäischen Ländern. Diese lässt sich darauf zurückführen, dass “Kaufentscheidungen aufgrund von Unsicherheit, was die künftige Entwicklung der Besteuerung und der Umweltvorschriften angeht, verschoben wurden“, wie die Unternehmensberatung DBK in der letzten Ausgabe ihrer Sektorstudie über das Automobil erklärt. Die Zweifel, die diese beiden Faktoren umgeben, lenken potenzielle Käufer außerdem Richtung Gebrauchtwagenmarkt, was zu einer Veralterung des Pkw-Bestands beiträgt.  

Der spanische Automobilsektor umfasst auch eine wichtige Komponenten- und Ausrüstungsindustrie, die europaweit an 4. Stelle liegt. Sie setzt sich aus etwa tausend Herstellern zusammen, die für eine reibungslose Zulieferung an die Fahrzeugfabriken sorgen. 2019 stellte die Komponentenindustrie 35,822 Milliarden Euro in Rechnung, wovon mehr als 58% auf Exporte entfielen, wie der Spanische Verband der Automobilzulieferindustrie (SERNAUTO) informiert. Zugleich beliefen sich die Investitionen in F+E+I auf 4,1% des Umsatzes, was dem Dreifachen des Durchschnitts in der Industrie entspricht.

Diese Investitionen sind notwendig inmitten des tiefgreifenden Wandels, in dem sich die Branche aufgrund des Fortschreitens der Industrie 4.0 befindet. Auch wenn sie bei weitem noch nicht den Grad der Verbreitung und die Kapazitäten ihrer deutschen Pendants erreicht haben, so tragen die spanischen Smart Factories doch schon jetzt dazu bei, Ressourcen und Produktionskosten zu optimieren – dank eines flexiblen und in sich vernetzten Ökosystems auf Grundlage der Integration von Abläufen, Maschinen, Anwendungen und Personen. Ein Beispiel dafür ist die 2019 von der Automobilzulieferfirma Benteler in Mos (Pontevedra) eingeweihte Fabrik, weltweit die erste Smart Factory des deutschen Unternehmens, von der aus die französische PSA-Gruppe mithilfe von 3D-Druck, Robotern und intelligenten autonomen Fahrzeugen mit Komponenten versorgt wird. Auch der spanische Komponentenhersteller Gestamp teilte im vergangenen Jahr die Inbetriebnahme seines Industriezentrums 4.0 im Baskenland mit, wo F+E+I-Projekte durchgeführt werden sollen, die sich mit der „Battery Box“ elektrischer Fahrzeuge beschäftigen.

E-Mobility: Hin zu einer emissionsfreien Zukunft 
Die Sorge über die Auswirkungen des Klimawandels und neue Regulierungen, deren Ziel die Entkarbonisierung des Sektors ist, zeichnet sich in der allmählichen Wende von Fahrzeugen mit traditionellem Verbrennungsmotor hin zur E-Mobility ab. Um diesen Prozess zu beschleunigen, beschloss das Europäische Parlament 2019 die sogenannte CAFE-Norm (Corporate Average Fuel Emissions), wonach seit dem 1. Januar 2020 der durchschnittliche CO2-Flottenausstoß jedes Herstellers in Europa 95g CO2 pro Kilometer nicht überschreiten darf. Diese strengere Regulierung der Emissionen, die voraussichtlich Strafen in Millionenhöhe nach sich ziehen wird – 95€ pro Gramm, das die Fahrzeugflotte einer Marke die Grenze überschreitet –, hat zu heftigen Diskussionen geführt, da sie im Vergleich zu den Zielen in anderen Ländern wie China (117 gr/km CO2), Japan (122 gr/km) und USA (125 gr/km) sehr viel höhere Auflagen stellt.

Neben der neuen Norm geht die Einführung der E-Mobility „auch mit einer Reduzierung der Batteriekosten und dem Aufbau einer Infrastruktur an Ladestationen einher, die weit genug reicht, um der Nachfrage gerecht zu werden“, meint Alejandro Gaffner, Partner von Oliver Wyman in Spanien. Dennoch, so die Unternehmensberatung, wird der Wandel nur langsam vor sich gehen, so dass mittelfristig „Fahrzeuge mit traditionellen Verbrennungsmotoren, Hybridfahrzeuge und elektrische Fahrzeuge mit Batterie“ nebeneinander existieren werden. 

Vor diesem Hintergrund setzt die spanische Automobilindustrie auf das Prinzip einer technologischen Neutralität, die es möglich macht, die am besten auf die Bedürfnisse zugeschnittene Technologie auszuwählen und eine geordnete Wende hin zur Entkarbonisierung des Sektors zu gewährleisten. Arancha García, Direktorin des Bereichs Industrie und Umwelt der ANFAC, hebt hervor, dass „die Industrie sich auf alle bereits bestehenden Technologien stützen muss“, um dieses Ziel zu erreichen. „Die Hersteller haben sich zur Reduzierung von CO2-Emissionen in der Luft verpflichtet, aber sie benötigen Unterstützung bei dieser Wende hin zur Entkarbonisierung, da diese geordnet ablaufen und nicht erzwungen werden soll. Wir glauben, dass traditionelle Verbrennungsfahrzeuge weiterhin ein wichtiger Treiber sein werden, da man nicht von einem Tag auf den anderen auf die ausschließliche Herstellung von elektrischen Fahrzeugen umschwenken kann.“ 

Trotz der bereits erzielten Fortschritte hat die E-Mobility in Spanien noch einen weiten Weg vor sich und bildet in Europa in dieser Hinsicht das Schlusslicht, wie aus dem E-Mobility-Barometer der ANFAC hervorgeht. Dieser Indikator, der sowohl die Durchdringung elektrischer Fahrzeuge als auch die Infrastruktur an Ladestationen berücksichtigt, zeigt, dass das Wachstum elektrifizierter Fahrzeuge in Spanien unter dem in anderen europäischen Ländern liegt, genauer gesagt 14 Punkte unter dem EU-15-Durchschnitt (33,2 Punkte). Der Studie zufolge verfügt Spanien aktuell über 7.600 öffentliche Ladestationen, die über das gesamte Territorium verteilt sind; diese Anzahl ist ungenügend, um der künftigen Nachfrage Folge zu leisten, wenn das von der Regierung geforderte Ziel von drei Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030 erreicht wird.

Wie ein vor kurzem von Caixabank Research veröffentlichter Bericht hervorhebt, bestehen neben diesen beiden Faktoren weitere Herausforderungen für die Elektrifizierung des Automobils. Eine ist die Batterieleistung von Elektrofahrzeugen, deren Reichweite bisher nicht annähernd so groß ist wie die von Benzinfahrzeugen, und es mangelt auch an essenziellen Rohstoffen für die Herstellung von Batterien, darunter Kobalt. Diese Aspekte, so die Experten von Caixabank Research, sind dafür verantwortlich, dass die Einführung von Elektroautos nur langsam voranschreitet  und dass diese bis 2030 immer noch weniger als 10% der weltweiten Produktion stellen werden. Im Gegensatz dazu ist ein Anstieg der Hybridfahrzeuge bis zu einer Durchdringung von 20% zu erwarten.

Vernetzte und autonome Pkw: Die Prognose für 2030 
Auch die Ausbreitung von 5G ist maßgebend für den Sprung hin zu einer neuen vernetzten Mobilität und für die Einführung des autonomen Fahrens, das sich Voraussagen der Branche zufolge innerhalb der nächsten zehn Jahre etablieren wird. Dieser Ansicht sind auch die Experten der Unternehmensberatung PwC, die es für realistisch halten, dass 2030 vernetzte Autos auf neuen intelligenten Straßen fahren. „In Europa und in den USA werden 2030 etwa 70% aller Autos vernetzt sein und in China werden sogar 100% eine totale Konnektivität aufweisen“, prognostiziert PwC in der Studie „eascy – Die fünf Dimensionen der Transformation der Automobilindustrie“.

“Die von einem Fahrzeug generierte Datenmenge wird exponentiell ansteigen: Jeder Pkw wird mit seinem Fahrer, mit anderen Pkw und Infrastrukturen und natürlich mit den Werkstätten verbunden sein“, erklärt Marian Luño, Leiterin der Abteilung Automotive Aftermarket von Bosch für Spanien und Portugal. Mit mehr Sicherheit im Straßenverkehr und einem Rückgang der Unfallzahlen, so Luño, ist beim neuen vernetzten Auto auch die präventive Wartung des Fahrzeugs verbunden, sodass sich „die Werkstatt nicht mehr so stark auf Reparaturen konzentrieren wird, sondern sich stattdessen zum Dienstleister entwickelt.“

Als Konsequenz dieser zunehmenden Konnektivität und Wechselbeziehungen zwischen bislang unabhängigen Elementen bilden viele Firmen Allianzen, um Pilotprojekte für das zukünftige autonome Fahren in Gang zu bringen, die sich auf intelligente Assistenz, das Internet der Dinge und Machine Learning stützen. Ein Beispiel hierfür konnte man im vergangenen Februar im Technologiepark Andalusien in Málaga sehen: Hier stellten die Firmen Telefónica, Dekra und SEAT ein F+E-Labor für die Entwicklung des vernetzten Fahrens vor, das über die gesamte notwendige Infrastruktur verfügt, um 5G-Lösungen und V2X-Technologie (vehicle to everything) zu testen.

“In diesen Laboratorien können neue Lösungen für das vernetzte Auto erforscht werden, die das Fahrerlebnis sicherer und komfortabler machen. Die neuen V2X-Technologien machen es möglich, das Auto mit seiner Umgebung zu verbinden und so Risikosituationen in Echtzeit vorauszusehen, wodurch das Auto für den Fahrer eine Art „sechsten Sinn“ erhält. Das ist im Grunde der letzte Schritt vor dem vollkommen kooperativen und autonomen Fahrzeug“, bestätigte César de Marco, Leiter für Kommunikationstechnologie und EMC bei SEAT, während der Präsentation des neuen Labors, welches das fortgeschrittenste seiner Art in Südeuropa ist. 

Auch Siemens kündigte im vergangenen März eine Zusammenarbeit mit Volkswagen an, um dessen Zwickauer Fabrik für Elektrofahrzeuge bei der Automatisierung und Digitalisierung zu unterstützen. Ab jetzt wird daher das E-Car von Volkswagen mithilfe der Automatisierungstechnologie von Siemens auf der Grundlage eines von beiden Unternehmen entwickelten digitalen Standards hergestellt werden.

Ein Klick genügt: Mobilität „On Demand“
Das exponentielle Wachstum der städtischen Bevölkerung, die Schätzungen der UN zufolge im Jahr 2050 bei 68% der Weltbevölkerung liegen wird, stellt für die Zukunft der Automobilbranche eine weitere Herausforderung dar. Aufgrund des Städtebooms steht der Sektor einem Paradigmenwechsel gegenüber, der von der sogenannten „On-Demand-Mobilität“ gekennzeichnet ist: dem Übergang von einem System, das auf Fahrzeugbesitz basiert, zu einem, das von der Nutzung „bei Bedarf“ abhängt. 

Die höhere Konzentration in den Städten eröffnet ein ganzes Spektrum an Herausforderungen, was Verkehrsstaus, das Einnehmen des öffentlichen Raums oder die Luftqualität angeht, und aus diesen heraus erwachsen Alternativen zu den traditionellen Möglichkeiten für Mobilität. Vor einem Szenario, wo Autofahrer in Großstädten durchschnittlich mehr als 50 Stunden pro Jahr aufgrund von Staus verlieren, „wird das geteilte Fahrzeug eine Hauptrolle spielen“, bekräftigte Estanislao de Mata, Geschäftsführer von SIXT Rent a Car, vor kurzem bei einem Event der AHK Spanien. Zu diesen neuen Bedürfnissen der urbanen Bevölkerung gesellt sich nach Einschätzung des Fachmanns von SIXT ein „übervernetzter und dynamischer Verbraucher, der Entscheidungen auf seinem Handy trifft“ und für den „Bewegungsfreiheit wichtiger ist als Besitz“. „Junge Leute empfinden das eigene Fahrzeug nicht mehr als etwas Erstrebenswertes, da ihnen andere Arten der Fortbewegung zur Verfügung stehen, für die Besitz nicht notwendig ist“, stimmt auch Arancha García, Direktorin des Bereichs Industrie und Umwelt der ANFAC, zu.

Die Unternehmensberatung Oliver Wyman sieht für 2040 voraus, dass die Nutzung eines geteilten Fahrzeugs – ob zur Miete oder On Demand – europaweit im Vergleich zur Nutzung des eigenen Fahrzeugs, des Flugzeugs oder des Zugs um 95% zunehmen wird. Trotzdem glauben die Berater, dass die Auswirkungen auf den Verkauf von Pkw in Privatbesitz 2025 nicht mehr als 1% betragen werden.

Der Handelsschwerpunkt verlagert sich auf den Pazifik 
Auf weltweiter Ebene muss sich die europäische Industrie mit einem von Unsicherheit und Spannungen in den Handelsbeziehungen geprägten Panorama auseinandersetzen, welches auf die protektionistische Politik von Ländern wie den USA und die mögliche Schaffung von Zöllen auf den Import von Fahrzeugen mit dem Ziel, die Verkäufe lokaler Hersteller zu fördern, zurückzuführen ist.

Der Sektor blickt auch mit Sorge auf Großbritannien und die Auswirkungen des Brexit auf den Umsatz, besonders vom 1. Januar 2021 an, wenn die aktuelle Übergangsphase abgeschlossen ist, in der sich das Land noch im europäischen Binnenmarkt befindet und Stabilität für Unternehmen und Investoren gewährleistet ist. Da dieser Markt so wichtig ist, fordern die Arbeitgeberverbände der Automobilindustrie Fortschritte in den Verhandlungen über die Handelsbeziehungen, um ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien zu erzielen.

Währenddessen bemüht sich die europäische Automobilindustrie verstärkt um Innovation, um die sich wandelnde Nachfrage eines Marktes, in dem Schwellenländer immer weiter empor klettern, zu befriedigen – was die Angst vor einer Auslagerung der Fabriken, um die Produktionskosten zu verringern, schürt. „Der Handelsschwerpunkt verlagert sich gerade mit großer Geschwindigkeit vom Atlantik auf den Pazifik“, bestätigte Begoña Cristeto, Partnerin für das Kraftfahrzeugwesen bei KPMG, bei der Präsentation des von der Unternehmensberatung erstellten Berichts „Global Automotive Executive Survey“. „Die traditionelle Atlantikachse zwischen den USA, Deutschland, Spanien und Frankreich muss sich mehr anstrengen, um ihre internationale Kraft zu bewahren. Wenn dann im Vergleich zu den traditionellen reifen Märkten noch eine steigende Nachfrage in Schwellenländern dazukommt, verschiebt sich das wirtschaftliche Gleichgewicht ganz klar noch mehr in Richtung der Volkswirtschaften am Pazifik, und wir stehen einer komplexen globalen Herausforderung gegenüber, auf die die europäische Industrie mit den Schlüsselfaktoren Innovation, Flexibilität und einer schnellen Annahme dieser Veränderungen reagieren muss“, folgert Cristeto. 

Die Unternehmensberatung Oliver Wyman schätzt, dass Nordamerika, Europa, Japan und Korea bis 2030 zehn Prozentpunkte ihrer Beteiligung an der Wertschöpfung in Schwellenmärkten verlieren werden. Dennoch deutet die Studie „Zukünftige Struktur der Automobilindustrie – FAST 2030“ darauf hin, dass Europa mit 50% der gesamten Wertschöpfung auch 2030 noch das Premiumsegment dominieren wird, während China seine Beteiligung am Premiumsegment von 13% auf 20% erhöhen wird. „China wird Europa in relativ kurzer Zeit überholen und die Führungsrolle in der Herstellung übernehmen“, so die Prognose von Joern Buss, Partner bei Oliver Wyman und Autor der Studie.

Einem neuen Mobilitäts-Ökosystem den Weg bereiten
Die Automobilindustrie sieht sich also mit einer ganzen Kaskade disruptiver Technologien und einem veränderten Kundenverhalten in digitalen Umgebungen konfrontiert, wodurch die größte Transformation in der Geschichte des Sektors bevorsteht. Mit dem Ziel, dieser Herausforderung die Stirn zu zeigen, stellte der Arbeitgeberverband ANFAC der Regierung nur wenige Tage vor dem durch Covid-19 verursachten Shutdown der Wirtschaft mit seinem Programm „Kraftfahrzeugwesen 2020-40 – Nachhaltige Mobilität anführen“ einen Fahrplan vor, der eine Strategie aufzeichnet, wie die Ziele der Entkarbonisierung des Fuhrparks sowie der Anziehung von Investitionen erreicht werden können. Die Initiative, die danach strebt, ein „Landesprojekt“ unter Einbeziehung aller Beteiligten an der Wertschöpfungskette, der Regierung und der Gesamtgesellschaft zu werden, fordert die Stärkung einer Industriepolitik, die sich für Investitionen und Arbeitsflexibilität einsetzt, ebenso wie ein entschiedenes Unterstützen der E-Mobility, eine neue Besteuerung für Pkw und die Förderung einer Erneuerung des Pkw-Bestands.

Als Reaktion auf diese Forderungen verabschiedete die spanische Regierung Mitte Juni den «Plan zur Stärkung der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie» mit einem Budget von 3,75 Milliarden Euro. Dieser Plan umfasst unmittelbare Maßnahmen, die im Laufe des Jahres 2020 umgesetzt werden sollen mit dem Ziel, den durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Folgen entgegenzuwirken, sowie mittelfristige strategische Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Sektors auf den Weg zu bringen.

450 Millionen Euro sind für die Erneuerung der Fahrzeugflotte vorgesehen, um alte und umweltschädliche Fahrzeuge durch sauberere zu ersetzen. Ein spezifischer Umschulungs- und Fortbildungsplan ist ebenfalls vorgesehen, um neue qualifizierte Arbeitskräfte auszubilden und die vorhandenen an den neuen Bedarf anzupassen.

„Wir befanden uns gerade mitten in einer beispiellosen industriellen und technologischen Transformation, und die Pandemie hat diese nur noch weiter beschleunigt. Wir können es uns nicht leisten, die Führungsrolle zu verlieren, die wir im Moment auf europäischer und weltweiter Ebene einnehmen, weil dies sehr ernste Konsequenzen für die Arbeit und das Wohlergehen von Millionen Familien hätte. Es ist an der Zeit, Innovationen zu entwickeln, zusammenzuarbeiten und Angebot und Nachfrage bei Fahrzeugen zu stärken“, fordert José Portilla, Geschäftsführer von SERNAUTO.